Eine Muschel in meiner flachen Hand, weit aufgeklappt,
ausgespült und völlig leer - wie weggeworfen liegt sie da.
Hat sie sich selbst dem Meer so weit geöffnet? Hat sie sich hingegeben?
Oder aber wurde sie roh gebrochen? Wurde ihr alles genommen,
was sie in sich trug, wurde gegen ihren Willen bezwungen und
liegt nun traurig und zerbrechlich zwischen all den Dingen,
die das Meer von sich gestoßen hat?
Hat sie sich anvertraut? War sie unvorsichtig und hat sich dann
weit, viel zu weit, geöffnet?
Auf meiner Hand spüre ich noch ihren letzten Schwur -
sich nie wieder so hinzugeben, aufzupassen und auf immer fest verschlossen zu bleiben.
Nur kleine, ganz kleine, Schritte in Richtung Öffnen zu wagen,
gerade so weit, um noch genug verbergen zu können, was sie Wunderbares in sich trägt.
Gerade weit genug, um sich schnell vor dem, der ihr Inneres nehmen will,
wieder verschließen zu können. Um dann, irgendwann vielleicht, selbst zu entscheiden,
sich nun weit genug zu öffnen, zu vertrauen und von sich zu geben -
um dann, nicht gebrochen, aber geöffnet, sich in warme, weiche Hände zu begeben.
Hände, die sie beschützen, sie bewahren, sie mit sich nehmen
und ihr die anderen, ihr unbekannten, Welten zeigen.
Aber es ist zu spät, verwundbar liegt sie da -
immer mit der Angst, dass jemand sie tritt und sie so völlig entzweit -
immer mit der Angst, Wellen und Wind des Lebens stoßen sie hin und her
und sie muss sich dem ausgeliefert nur noch beugen -
immer mit der Angst, keine Kraft mehr zu haben, sich dem zu erwehren.
Eine kleine Hoffnung nur noch, dass sanfte Hände sie finden und mit sich nehmen -
eine kleine Hoffnung nur noch, dass verständnisvolle Augen sehen,
was einmal Schönes in ihr war ---
ein schwacher Wunsch, dass sie dadurch wieder etwas Halt bekommt,
ein schwacher Wunsch nur noch, dass sie dann den Frieden in sich wieder findet.
