in einer Sekunde ist meine
Stimmung hin.
Gerade noch in einer gefühlten
Tiefenentspannung, einem kleinen Hauch von Wohlgefühl, eine kleine Andeutung nur von der viel zu selten
aufkommenden inneren Ruhe … alles weg.
„SIE“ sagen immer, ich solle
unter Leute, ich solle das Leben genießen, mir was Gutes tun. Oh man, „DIE“
haben ja keine Ahnung wie schwer das ist.
Aber trotz allem habe ich etwas
entdeckt für mich, was all „IHRE“ von mir geforderten Prämissen erfüllt. Line
Dance! Hier komme ich unter Leute, auch ohne ihnen zwangsweise zu nahe kommen zu
müssen. Und es tut mir tatsächlich gut, mich auf meine Schritte zu
konzentrieren und mal nicht, wie sonst immer, meinen Grübeleien nachzuhängen
und, ihr werdet es nicht glauben, manchmal komme ich sogar an einen Punkt, der
irgendwie auch etwas mit Genuss zu tun haben könnte.
Wer von Line Dance nur mal so
nebenbei was gehört hat oder es nur mal kurz gesehen hat, läuft ganz schnell
Gefahr, diese Art von Bewegung leicht hochnäsig ab zu tun mit Kinderkram. Keine
Panik, ihr braucht jetzt kein schlechtes Gewissen zu haben, das hatte ich nämlich
auch am Anfang gedacht.
Wie schwer es allerdings ist,
sein Gehirn und seine Beine zu koordinieren, hatte ich bei Weitem nicht geahnt.
Die Schrittfolgen, die Schrittkombinationen sind mit ihrer Komplexität nicht im
Geringsten mit einem Walzer oder ähnlichen Standard-Tänzen zu vergleichen.
Der Zählrhythmus 1-2-3 erhöht
sich mal eben ganz schnell auf 1-2-3-4-5-6-7-8. Rein rechentechnisch
betrachtet, erhöht sich so logischer Weise auch sofort die potentielle
Möglichkeit des über seine eigenen Füße Stolperns.
Naja, der Vorteil beim Line
Dance liegt klar auf der Hand, man
stolpert nämlich zum Glück nur über seine eigenen Füße und läuft nicht Gefahr,
noch irgend einem Tanzpartner Verletzungen zuzuführen. Jedenfalls scheint in
mir irgendwie die Synapse zwischen Gehirn und Füßen eingeschlafen zu sein. Oben
richtig gedacht, unten in die falsche Richtung gedreht oder oben einen völligen
Blackout und unten stapfen die Füße nur hin und her um überhaupt irgendetwas zu
tun.
Tja, da kann man nur eins machen,
sich über seine eigene Dummheit ärgern wie immer, aber blöderweise ist dafür
gar keine Zeit, oder aber man schaut schnell auf die anderen und stellt zufrieden
fest, dass es ihnen keinesfalls besser geht. Irgendwann habe ich mich nach der
3. oder 4. Trainingseinheit für Letzteres entschieden.
Die Vorletzte von den 8
Schnupper-Einheiten begann. Der Sportraum ist groß genug, dass sich unsere fast
20 Teilnehmerinnen gut verteilen können und so habe ich immer die Möglichkeit,
auf die eine oder andere Gruppe zuzugehen oder für mich zu bleiben. Von weitem
ein Hallo oder ein Lächeln bekommen sie ja deswegen trotzdem von mir und schon
lange habe ich es mir abgewöhnt, darüber nachzudenken, ob sie mich für
eingebildet halten. Ich weiß, ich bin es nicht! Ich weiß, es hat andere Gründe.
Es geht los, wir stellen uns auf
in 4 Reihen, immer personenversetzt, jeder den Blick in Richtung des großen
Spiegels, was mir persönlich noch sehr schwer fällt. Also dieser Blick in den
Spiegel, nicht das Aufstellen in eine Reihe, sich „einfügen“ konnte ich ja
schon immer perfekt. Der erste Tanz, „electric Slide“, wird angesagt und gleich
rattert es in meinem Gehirn und die Schritte dieses Tanzes wollen einfach nicht
als geistiges Bild vor meinen Augen erscheinen. Da es den meisten von uns ebenso
geht und unsere Trainerin diese Anfängerproblematik kennt, zeigt sie uns die
für diesen Tanz erforderlichen Schritte noch einmal langsam in einer
Trockenübung.
Ach sooooooooooooooooooooo … Hand-auf-die-Stirn-schlag …
Gut, die Schritte sind jetzt im
Gehirn angekommen, was allerdings nicht unbedingt zur Folge hat, dass auch die
Füße schon Bescheid wissen. Davon ganz zu Schweigen, dass aus der langsamen
Trockenübung die Beiden gemeinsam auch noch das gerade Wiederholte in den
schnelleren Rhythmus der Musik umsetzten müssen.
1-2-3-4 Uuuuups, falsche
Richtung, verdammt. Dann einfach hin und her tapsen bis zur 8 und wieder neu
einsteigen. 1-2 oh verdammt, auf die Tänzerin neben mir geschaut und jetzt
stolpert sie und ich bin raus. Ein Lächeln wechselt unseren Blick, mehr Zeit
ist nicht, schon kommt die 8, eine neue Chance für uns. Ein paar Mal geht das
so, bis … ja bis es kommt, dieses Gefühl. Der Automatismus stellt sich und ich
gerate in eine Art Flow. Gerade denke ich noch, wie schön das sich doch anfühlt,
und als ob dieser Gedanke für mein Gehirn ein Gedanke zu viel ist, bin ich
wieder raus.
Bis zum Ende des Liedes haben wir
es aber wie immer alle geschafft, eine Art Einheit zu bilden, was der Blick in
den großen Spiegel vor uns verrät.
Habt ihr euch schon einmal
gefragt, warum die Passagiere im Flugzeug immer nach der Landung klatschen und
euch geschworen, diesen Blödsinn nicht mitzumachen wenn es so weit ist. Und
dann ertappt ihr euch bei eurer nächsten Landung dabei, dass ihr wie
hypnotisiert mitklatscht, weil ihr doch innerlich abfeiert, wieder unten
angekommen zu sein und diese innerliche Erlösung einfach raus muss???
Naja, wir klatschen also auch
immer alle, wenn wir einen Tanz zusammen „überlebt“ haben … ein befreiendes
Gefühl.
Der nächste Tanz wird angesagt. „the
beautiful day“! Und glaubt mir, alles geht von vorne los. Wo vorher die Füße
zum Beispiel 2x nach rechts und 2x nach links schleichen mussten, müssen meine
Füße nun 1x nach rechts doppelhüpfen und dann 1x nach links. Mein Gott, wie
soll ich denen da unten das denn in so kurzer Zeit klar machen … nun gut, wie
wir nun alle schon ahnen, geht es den anderen zum Glück ebenso.
Nach dem zweiten Tanz ist das
Gehirn noch nicht völlig „Banane“ und so studieren wir nun die Schritte für
unseren neuen Tanz „cotton eye Joe“ ein. Zumindest versuchen wir es, das wird
wohl noch ein paar Einheiten brauchen, bis wir den intus haben.
Zum Abschluss noch zwei Tänze,
die wir schon können (ehhhh, kennen meine ich, nicht können), was aber nicht
bedeutet, dass wir hier auf obigen Ablauf verzichten. Nein, nein .. wir
stolpern uns wie immer schön rein in die Tänze in der Hoffnung, der Flow erreicht
uns auch zu „lindi shuffle“ und „copperhead road“.
Geschafft, völlig durchgeschwitzt
und durstig, Zehen und Füße aber Gott sei Dank alle noch dran, sitzen wir auf
unseren Stühlen. Die Gehirne geben Rauchzeichen im Sinne „Man bin ich platt, du
auch?“ ab. Hüfte, Knie und Knöchel pochen leise den Vorwurf „Muss das denn
immer sein!“ im Takt vor sich hin. Langsam erwacht der Raum und die ewig Unruhigen
und viel zu Lauten (vielleicht sind es aber auch nur die Lebenslustigen) unter
uns beginnen sogleich, der erschöpften Stille wieder Leben einzuhauchen.
Und schon stürzen zwei
Tänzerinnen aus einem laut schnatterndem Grüppchen auf die Trainerin zu. Überschwänglich
gestikulierend erklären sie ihr, dass wir unbedingt in der nächsten
Trainingseinheit den Tanz „black coffee“ einstudieren müssen, weil, sie hätten
gehört, der würde unheimlich Spaß machen.
Ich bin leicht genervt. Genervt
davon, dass wieder einmal eine ganze Gruppe das machen soll, was 3 – 5 Personen
wünschen. Aber noch bekomme ich mich in den Griff. Ist ja eigentlich auch egal
was ich lerne, jeder neue Tanz ist neu und jeder neue Tanz wird schwer zu
lernen sein, was soll`s also. Keep cool.
Die Trainerin ist damit
einverstanden, die anderen werden gar nicht erst gefragt, was auch sonst. Und
schon läuft die Musik und wir schauen alle gebannt auf die neuen Schrittfolgen,
die unsere Trainerin mit einer uns noch fremden Leichtigkeit vorführt.
Beim Zuschauen nehme ich das vorher
so enthusiastische Grüppchen war, dummerweise nehme ich immer mehrere Dinge
gleichzeitig war, und bemerke, wie sie sich angeregt unterhalten. Diese
Beobachtung veranlasst mein Gehirn dazu, seine Prioritäten zu verschieben und
die Gedanken haben kein Halten mehr.
Ich verstehe nicht, wie man so
unhöflich sein kann und sich laut schnatternd und kichernd unterhalten kann,
obwohl jemand da vorn wirklich die ungeteilte Aufmerksamkeit verdient hat. Und
ich verstehe nicht, warum man erst riesiges Interesse an einem bestimmten Tanz
signalisiert um dann völlig unbeteiligt am eigentlichen Geschehen zu sein.
Dieses Verhalten ärgert mich,
regt mich total auf. Aber ich kann sie in dieser Situation auch nicht darauf
ansprechen. Dann müsste ich mich ja in den Mittelpunkt stellen. Dann würde ich
auch Gefahr laufen, nicht verstanden zu werden von diesem Grüppchen oder den
anderen. Sätze wie „Mein Gott, die hat sich aber wieder!“ rauschen durch meine
Windungen und ich bleibe stumm und starr.
Und ich ärgere mich weiter, ich
ärgere mich noch zu Hause, ich ärgere mich auch noch 1 ½ Wochen später darüber,
über dieses Grüppchen und über mich, weil ich nichts dagegen gemacht habe und
weil ich es wieder einmal so an mich ran gelassen habe – so sehr, dass ich zu
dem Schluss komme, zu dem ich wohl meistens komme. Ich gehe einfach nicht mehr
hin, dann brauche ich mich nicht mehr über andere Leute oder über mein eigenes Fehlverhalten zu
ärgern. Punkt!
Dieses „BEI-SICH-BLEIBEN“, dieses „NICHT-MEIN-AFFE-NICHT-MEIN-ZIRKUS“
… ich krieg das einfach nicht gebacken.
Und so passiert es mir immer
wieder - in einer Sekunde … ist meine
Stimmung hin.