Sonntag, 25. November 2018

In einer Sekunde ...


in einer Sekunde ist meine Stimmung hin.

Gerade noch in einer gefühlten Tiefenentspannung, einem kleinen Hauch von Wohlgefühl, eine  kleine Andeutung nur von der viel zu selten aufkommenden inneren Ruhe … alles weg.

„SIE“ sagen immer, ich solle unter Leute, ich solle das Leben genießen, mir was Gutes tun. Oh man, „DIE“ haben ja keine Ahnung wie schwer das ist.

Aber trotz allem habe ich etwas entdeckt für mich, was all „IHRE“ von mir geforderten Prämissen erfüllt. Line Dance! Hier komme ich unter Leute, auch ohne ihnen zwangsweise zu nahe kommen zu müssen. Und es tut mir tatsächlich gut, mich auf meine Schritte zu konzentrieren und mal nicht, wie sonst immer, meinen Grübeleien nachzuhängen und, ihr werdet es nicht glauben, manchmal komme ich sogar an einen Punkt, der irgendwie auch etwas mit Genuss zu tun haben könnte.

Wer von Line Dance nur mal so nebenbei was gehört hat oder es nur mal kurz gesehen hat, läuft ganz schnell Gefahr, diese Art von Bewegung leicht hochnäsig ab zu tun mit Kinderkram. Keine Panik, ihr braucht jetzt kein schlechtes Gewissen zu haben, das hatte ich nämlich auch am Anfang gedacht.

Wie schwer es allerdings ist, sein Gehirn und seine Beine zu koordinieren, hatte ich bei Weitem nicht geahnt. Die Schrittfolgen, die Schrittkombinationen sind mit ihrer Komplexität nicht im Geringsten mit einem Walzer oder ähnlichen Standard-Tänzen zu vergleichen.
Der Zählrhythmus 1-2-3 erhöht sich mal eben ganz schnell auf 1-2-3-4-5-6-7-8. Rein rechentechnisch betrachtet, erhöht sich so logischer Weise auch sofort die potentielle Möglichkeit des über seine eigenen Füße Stolperns.

Naja, der Vorteil beim Line Dance  liegt klar auf der Hand, man stolpert nämlich zum Glück nur über seine eigenen Füße und läuft nicht Gefahr, noch irgend einem Tanzpartner Verletzungen zuzuführen. Jedenfalls scheint in mir irgendwie die Synapse zwischen Gehirn und Füßen eingeschlafen zu sein. Oben richtig gedacht, unten in die falsche Richtung gedreht oder oben einen völligen Blackout und unten stapfen die Füße nur hin und her um überhaupt irgendetwas zu tun.

Tja, da kann man nur eins machen, sich über seine eigene Dummheit ärgern wie immer, aber blöderweise ist dafür gar keine Zeit, oder aber man schaut schnell auf die anderen und stellt zufrieden fest, dass es ihnen keinesfalls besser geht. Irgendwann habe ich mich nach der 3. oder 4. Trainingseinheit für Letzteres entschieden.

Die Vorletzte von den 8 Schnupper-Einheiten begann. Der Sportraum ist groß genug, dass sich unsere fast 20 Teilnehmerinnen gut verteilen können und so habe ich immer die Möglichkeit, auf die eine oder andere Gruppe zuzugehen oder für mich zu bleiben. Von weitem ein Hallo oder ein Lächeln bekommen sie ja deswegen trotzdem von mir und schon lange habe ich es mir abgewöhnt, darüber nachzudenken, ob sie mich für eingebildet halten. Ich weiß, ich bin es nicht! Ich weiß, es hat andere Gründe.

Es geht los, wir stellen uns auf in 4 Reihen, immer personenversetzt, jeder den Blick in Richtung des großen Spiegels, was mir persönlich noch sehr schwer fällt. Also dieser Blick in den Spiegel, nicht das Aufstellen in eine Reihe, sich „einfügen“ konnte ich ja schon immer perfekt. Der erste Tanz, „electric Slide“, wird angesagt und gleich rattert es in meinem Gehirn und die Schritte dieses Tanzes wollen einfach nicht als geistiges Bild vor meinen Augen erscheinen. Da es den meisten von uns ebenso geht und unsere Trainerin diese Anfängerproblematik kennt, zeigt sie uns die für diesen Tanz erforderlichen Schritte noch einmal langsam in einer Trockenübung.

Ach sooooooooooooooooooooo …  Hand-auf-die-Stirn-schlag …

Gut, die Schritte sind jetzt im Gehirn angekommen, was allerdings nicht unbedingt zur Folge hat, dass auch die Füße schon Bescheid wissen. Davon ganz zu Schweigen, dass aus der langsamen Trockenübung die Beiden gemeinsam auch noch das gerade Wiederholte in den schnelleren Rhythmus der Musik umsetzten müssen.

1-2-3-4 Uuuuups, falsche Richtung, verdammt. Dann einfach hin und her tapsen bis zur 8 und wieder neu einsteigen. 1-2 oh verdammt, auf die Tänzerin neben mir geschaut und jetzt stolpert sie und ich bin raus. Ein Lächeln wechselt unseren Blick, mehr Zeit ist nicht, schon kommt die 8, eine neue Chance für uns. Ein paar Mal geht das so, bis … ja bis es kommt, dieses Gefühl. Der Automatismus stellt sich und ich gerate in eine Art Flow. Gerade denke ich noch, wie schön das sich doch anfühlt, und als ob dieser Gedanke für mein Gehirn ein Gedanke zu viel ist, bin ich wieder raus.

Bis zum Ende des Liedes haben wir es aber wie immer alle geschafft, eine Art Einheit zu bilden, was der Blick in den großen Spiegel vor uns verrät.

Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum die Passagiere im Flugzeug immer nach der Landung klatschen und euch geschworen, diesen Blödsinn nicht mitzumachen wenn es so weit ist. Und dann ertappt ihr euch bei eurer nächsten Landung dabei, dass ihr wie hypnotisiert mitklatscht, weil ihr doch innerlich abfeiert, wieder unten angekommen zu sein und diese innerliche Erlösung einfach raus muss???

Naja, wir klatschen also auch immer alle, wenn wir einen Tanz zusammen „überlebt“ haben … ein befreiendes Gefühl.

Der nächste Tanz wird angesagt. „the beautiful day“! Und glaubt mir, alles geht von vorne los. Wo vorher die Füße zum Beispiel 2x nach rechts und 2x nach links schleichen mussten, müssen meine Füße nun 1x nach rechts doppelhüpfen und dann 1x nach links. Mein Gott, wie soll ich denen da unten das denn in so kurzer Zeit klar machen … nun gut, wie wir nun alle schon ahnen, geht es den anderen zum Glück ebenso.

Nach dem zweiten Tanz ist das Gehirn noch nicht völlig „Banane“ und so studieren wir nun die Schritte für unseren neuen Tanz „cotton eye Joe“ ein. Zumindest versuchen wir es, das wird wohl noch ein paar Einheiten brauchen, bis wir den intus haben.

Zum Abschluss noch zwei Tänze, die wir schon können (ehhhh, kennen meine ich, nicht können), was aber nicht bedeutet, dass wir hier auf obigen Ablauf verzichten. Nein, nein .. wir stolpern uns wie immer schön rein in die Tänze in der Hoffnung, der Flow erreicht uns auch zu „lindi shuffle“ und „copperhead road“.

Geschafft, völlig durchgeschwitzt und durstig, Zehen und Füße aber Gott sei Dank alle noch dran, sitzen wir auf unseren Stühlen. Die Gehirne geben Rauchzeichen im Sinne „Man bin ich platt, du auch?“ ab. Hüfte, Knie und Knöchel pochen leise den Vorwurf „Muss das denn immer sein!“ im Takt vor sich hin. Langsam erwacht der Raum und die ewig Unruhigen und viel zu Lauten (vielleicht sind es aber auch nur die Lebenslustigen) unter uns beginnen sogleich, der erschöpften Stille wieder Leben einzuhauchen.

Und schon stürzen zwei Tänzerinnen aus einem laut schnatterndem Grüppchen auf die Trainerin zu. Überschwänglich gestikulierend erklären sie ihr, dass wir unbedingt in der nächsten Trainingseinheit den Tanz „black coffee“ einstudieren müssen, weil, sie hätten gehört, der würde unheimlich Spaß machen.

Ich bin leicht genervt. Genervt davon, dass wieder einmal eine ganze Gruppe das machen soll, was 3 – 5 Personen wünschen. Aber noch bekomme ich mich in den Griff. Ist ja eigentlich auch egal was ich lerne, jeder neue Tanz ist neu und jeder neue Tanz wird schwer zu lernen sein, was soll`s also. Keep cool.

Die Trainerin ist damit einverstanden, die anderen werden gar nicht erst gefragt, was auch sonst. Und schon läuft die Musik und wir schauen alle gebannt auf die neuen Schrittfolgen, die unsere Trainerin mit einer uns noch fremden Leichtigkeit vorführt.

Beim Zuschauen nehme ich das vorher so enthusiastische Grüppchen war, dummerweise nehme ich immer mehrere Dinge gleichzeitig war, und bemerke, wie sie sich angeregt unterhalten. Diese Beobachtung veranlasst mein Gehirn dazu, seine Prioritäten zu verschieben und die Gedanken haben kein Halten mehr.

Ich verstehe nicht, wie man so unhöflich sein kann und sich laut schnatternd und kichernd unterhalten kann, obwohl jemand da vorn wirklich die ungeteilte Aufmerksamkeit verdient hat. Und ich verstehe nicht, warum man erst riesiges Interesse an einem bestimmten Tanz signalisiert um dann völlig unbeteiligt am eigentlichen Geschehen zu sein.

Dieses Verhalten ärgert mich, regt mich total auf. Aber ich kann sie in dieser Situation auch nicht darauf ansprechen. Dann müsste ich mich ja in den Mittelpunkt stellen. Dann würde ich auch Gefahr laufen, nicht verstanden zu werden von diesem Grüppchen oder den anderen. Sätze wie „Mein Gott, die hat sich aber wieder!“ rauschen durch meine Windungen und ich bleibe stumm und starr.

Und ich ärgere mich weiter, ich ärgere mich noch zu Hause, ich ärgere mich auch noch 1 ½ Wochen später darüber, über dieses Grüppchen und über mich, weil ich nichts dagegen gemacht habe und weil ich es wieder einmal so an mich ran gelassen habe – so sehr, dass ich zu dem Schluss komme, zu dem ich wohl meistens komme. Ich gehe einfach nicht mehr hin, dann brauche ich mich nicht mehr über andere Leute  oder über mein eigenes Fehlverhalten zu ärgern. Punkt!

Dieses „BEI-SICH-BLEIBEN“, dieses „NICHT-MEIN-AFFE-NICHT-MEIN-ZIRKUS“ … ich krieg das einfach nicht gebacken.

Und so passiert es mir immer wieder - in einer Sekunde …   ist meine Stimmung hin.


Mittwoch, 7. November 2018

ein Blatt ...


Ein Blatt, es tollt und tobt, so wie ein Kinde

um die Wette mit dem Winde.

Tobt voller Leichtigkeit und ohne Seelenschwer,

was will man denn im Leben mehr.

Schön wär’s, wenn ich mich im Winde wieder finde.
 


wieder mal ein Bierdeckel ...