Habt
ihr schon mal eine Gurke geschält?
„Okay“
denkt ihr, „jetzt ist sie total verrückt geworden! Wie kommt sie denn von
Glasperlen auf eine Gurke?“
Ja,
ich bin verrückt geworden. Oder besser gesagt, ich wurde verrückt.
Herausgerissen aus meinem Hamsterrad, mein geplanter Lebenspfad wie abgeschnitten,
zugebaut mit Steinen, die einem in den Weg gelegt werden und fand mich
plötzlich an einer ganz anderen Stelle wieder.
Bin
ich damit klar gekommen? Nein. War es gut, verrückt worden zu sein? Also ich
gebe es ja ungern zu, aber jetzt im Nachhinein betrachtet, ja.
Oh
man, ich schweife ab, ich wollte doch etwas ganz anderes erzählen. Also noch
einmal.
Habt
ihr schon mal eine Gurke geschält?
Ich
meine nicht so ein schrumpeliges, biegsames grünes Etwas aus dem Supermarkt.
Nein, ich meine eine Gurke, eine frisch geerntete Gurke, noch voller Saft und
Kraft.
In
Anbetracht meiner vielen schon vergangenen Lebensjahre habe ich wohl schon
öfters eine Gurke geschält, aber noch nie habe ich es bewusst und aufmerksam
getan. Wie ich so vieles in meinem Leben wohl noch nie bewusst und aufmerksam
getan habe. Immer huscht man weiter, schnell hier machen, schnell das noch
holen und wenn ich grad schon mal dabei bin, kann ich ja auch schnell noch das
erledigen …
Ihr
kennt es alle, dieses furchtbare NOCH-SCHNELL …
Den
Spieß umdrehen und sich bewusst dafür entscheiden, etwas ganz langsam, achtsam,
zu machen … das muss man erst lernen, das hat uns keiner beigebracht. Und es wird
uns auch keiner beibringen, außer wir bringen es uns selbst bei.
Ach
ja … Die Gurke! War ich doch glatt schon wieder weg vom Thema, wahrscheinlich
wollte ich euch eben ganz schnell noch was anderes erzählen
So,
ich erntete also schnell im Garten Tomaten, Paprika und Gurken um sie ganz
schnell noch zu Salaten zu verarbeiten. In der Küche, alles lag in den
schönsten Naturfarben die man sich vorstellen kann, vor mir ausgebreitet und dann
tat ich es. Ich entschied mich, meine ganze ungeteilte Aufmerksamkeit dieser
einen Gurke zu schenken.
Als
erstes fiel mir auf, wie kühl sie sich doch anfassen ließ. Bei gefühlten 40
Grad im Schatten hätte ich gemeint, sie würde sich, aufgeheizt durch die
anhaltende Dürre in diesem Sommer, warm anfühlen. Weit gefehlt. Wie gesagt, sie
war angenehm kühl und am liebsten hätte ich sie mir an meine Stirn gehalten
oder an den Hals gelegt, dort, wo der Pulsschlag zu spüren ist.
Ich
nahm also meinen himmelblauen Lieblingssparschäler in die Hand und begann,
sanft den ersten Strich durch die Gurkenschale zu ziehen. Es folgten der zweite
und der dritte Strich. Nicht einfach so, nein, ich verzierte meine Gurke mit
einem Muster und schon bald sah sie aus wie ein Zebra, nur nicht schwarz-weiß
gestreift sondern dunkelgrün-lindgrün gestreift. Eine wunderschöne
Farbkombination übrigens, kann ich euch nur empfehlen, es kleidungstechnisch
mal auszuprobieren.
Na
ja, jedenfalls betrachtete ich mein Werk eine Weile still voller Bewunderung,
als ich bemerkte, wie sich klitzekleine, recht unscheinbare, Bläschen auf den
frisch geschälten Streifen bildeten. Jedes einzelne Bläschen für sich wurde
größer und größer. Wasserperlen entstanden und es wirkte, als reihten sich auf
der Gurke Glasperlen eine nach der anderen zu einer Kette auf.
Durch
mein Fenster drangen Licht und Sonnenstrahlen und das wiederum ließ die
aufgereihten Perlen in den sanftesten Farben schimmern. Der lindgrüne
Hintergrund wirkte wie lupenartig vergrößert und man konnte tatsächlich die
Struktur des Gurkenfleisches erkennen. Das Gurkenfleisch war nicht nur lindgrün,
wie sich jetzt herausstellte. Ich konnte in diesem Moment einfach nicht
glauben, wie viele verschiedene Lindgrün-Töne es tatsächlich gab. Malen müsste
man können, dachte ich in diesem Augenblick so bei mir.
Die
Glasperlen wuchsen immer noch und wurden größer, sie verbrüderten (oder
verschwesterten?, ich hab keine Ahnung) sich, wurden zu einem großen Ganzen,
bis sie ihre Form veränderten und zu einem kleinen Rinnsal wurden, der von
meiner Hand den Ellenbogen entlang tröpfchenweise
floss und auf meinem Küchentisch eine kleine Pfütze entstehen ließ.
Der danach
entstandene Gurkensalat, verfeinert mit Dill aus dem Garten, hat übrigens echt
gut geschmeckt und um mal bei der Achtsamkeit zu bleiben, so eine frische Gurke
schnurpst beim Verspeisen angenehm vor sich hin. Aber das ist wieder ein ganz anderes Erlebnis
…
Und
jetzt, nach dieser kleinen Geschichte, frage ich euch noch einmal.
Habt ihr schon mal eine Gurke geschält? Und
überlegt gut, bevor ihr voreilig mit JA antwortet …
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