Eine
innere Unruhe treibt sie an. Es muss noch so viel gemacht werden. Sie muss noch
saugen, die Wäsche einräumen, die Betten machen …
Alles
geht ihr hundertmal durch den Kopf, immer mit der Angst im Nacken, etwas zu
vergessen. Wieder etwas zu vergessen. Denn sie vergisst ständig etwas. Und das
ärgert sie maßlos, sie hasst es, so viel zu vergessen. Sie hasst sich, weil sie
so viel vergisst.
Sie
geht die Treppe hinauf, die Gedanken wie im Singsang widerkäuend, am
Gästezimmer vorbei in das Schlafzimmer. Die Betten macht sie, die Wäsche wird
in den Schrank geräumt und schon grübelt sie über das nach, was sie eigentlich
noch hier oben machen wollte.
Es
fällt ihr ein, sie rennt die Treppe wieder hinunter, holt die Schere, denn sie
wollte doch noch das Geschenk einpacken. Unten angekommen nimmt sie sich aber
erst einmal die Gießkanne, denn wenn sie schon mal oben ist, könnten durch aus
auch wieder mal die Blumen etwas Wasser vertragen. Und ja, sie hat tatsächlich auch
noch an die Schere gedacht.
Am
Gästezimmer wieder vorbei gehend blickt sie kurz hinein. Meistens schläft ihr Kätzchen
dort auf dem Sofa, eingerollt wie in sich selbst versunken. Die Kleine hebt leicht ihr Köpfchen und maunzt
kurz in ihre Richtung. So in etwa, wie wenn Freunde sich von weiten erkennen
und sich nur kurz zunicken. So ein kleines vertrautes „Wie geht’s!“ halt, so
ein „Na, alles klar!“ eben.
Einen
Moment hält sie inne und spricht ihre Katze mit leiser, sanfter Stimme an und
wird sofort mit einem weiteren Maunzen belohnt.
Schere
und Gießkanne legt sie gedankenverloren erst einmal ab und geht vorsichtig in
Richtung Sofa. Sie setzt sich bedächtig neben ihre Katze, welche erwartungsvoll
ihren Kopf noch etwas höher hebt.
Die
Bewegungen der Beiden sind fast schon zeitlupenartig, als wüssten sie vom
jeweils anderen, dass laute Geräusche und schnelle Bewegungen auch Gefahr
bedeuten können. Die Beiden kennen sich und sind es gewohnt, vorsichtig
miteinander umzugehen.
Sie
legt sich neben ihre Katze, ihren Kopf gerade so weit vom Bauch der Katze
entfernt, dass deren Haare nicht in der Nase kitzeln. Langsam schiebt sie ihre
Hand unter den Kopf der Katze und sofort legt diese ihren Kopf in die Mulde der
Handfläche hinein, als wenn sie wüsste, dass diese Mulde nur für sie bestimmt
ist, als wenn sie nur darauf gewartet hätte.
Noch
etwas unruhig klopft das Schwänzchen der Katze leicht auf den freien Arm, den
sie um den Körper ihrer Katze gelegt hat. Aber das Klopfen wird ruhiger und von
Atemzug zu Atemzug wird daraus mehr und mehr ein sanftes Streicheln. Es ist wie
ein vorsichtiges, tröstendes Schulterklopfen voller Vertrauen, wie ein Signal,
dass es so wie es ist, gut ist.
Der
Daumen ihrer Hand unter dem Köpfchen streicht sanft über das Kinn der Katze,
ein Rollen in der Kehle, kaum zu hören, ist die Antwort darauf. Die Katze
belohnt sie, wie immer in solchen Momenten, in dem sie mit ihrer rauen Zunge
anfängt, ihren Daumen abzuputzen. Das kitzelt.
Sie
schließt die Augen, genießt diese Vertrautheit und sie wartet.
Beide
sind vollkommen entspannt, genießen diesen Moment. Die Katze macht leise
Schmatzgeräusche. Diese Geräusche erinnern irgendwie an ein Baby, welches vor
dem Tiefschlaf noch ab und zu an seinem Schnuller saugt, bis dieser dann kurz
bevor der letzte Kiefermuskel sich auch noch entspannt hat, aus dem Mund
plumpst.
Und
dann kommt das, worauf sie gewartet hat. Ihre Katze, sie atmet tief und langsam
ein und noch langsamer, völlig tiefenentspannt, atmet sie wieder aus. Einmal
nur, aber es ist im ganzen Körper der Katze zu spüren und es ist auch zu hören.
Es ist mit nichts zu vergleichen, mit Worten nicht zu beschreiben.
Vielleicht
ähnelt dieses kurze entspannte Ein- und Ausatmen ein wenig dem Wort Frieden
oder dem Wort Stille.
Für
sie jedenfalls ist es Vollkommen, sie übernimmt diesen Atemrhythmus, sie nimmt
die Ruhe ihrer Katze in sich auf. Keine Gedanken mehr, die ständig kreisend das
Gehirn martern. Sie fühlt sich geliebt und sie fühlt, dass sie etwas bewirkt
mit ihrer Liebe.
Und
Beide schlafen ein, als wenn es kein Morgen gibt. Ängste, Pflichten, Sorgen …
alles verschwunden. Eine Leere, die sich warm und weich anfühlt. Eine Stille,
die den ganzen Raum um sie herum einnimmt.
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