Montag, 3. September 2018

Katzenschmusepuse





Eine innere Unruhe treibt sie an. Es muss noch so viel gemacht werden. Sie muss noch saugen, die Wäsche einräumen, die Betten machen …

Alles geht ihr hundertmal durch den Kopf, immer mit der Angst im Nacken, etwas zu vergessen. Wieder etwas zu vergessen. Denn sie vergisst ständig etwas. Und das ärgert sie maßlos, sie hasst es, so viel zu vergessen. Sie hasst sich, weil sie so viel vergisst.

Sie geht die Treppe hinauf, die Gedanken wie im Singsang widerkäuend, am Gästezimmer vorbei in das Schlafzimmer. Die Betten macht sie, die Wäsche wird in den Schrank geräumt und schon grübelt sie über das nach, was sie eigentlich noch hier oben machen wollte.

Es fällt ihr ein, sie rennt die Treppe wieder hinunter, holt die Schere, denn sie wollte doch noch das Geschenk einpacken. Unten angekommen nimmt sie sich aber erst einmal die Gießkanne, denn wenn sie schon mal oben ist, könnten durch aus auch wieder mal die Blumen etwas Wasser vertragen. Und ja, sie hat tatsächlich auch noch an die Schere gedacht.

Am Gästezimmer wieder vorbei gehend blickt sie kurz hinein. Meistens schläft ihr Kätzchen dort auf dem Sofa, eingerollt wie in sich selbst versunken.  Die Kleine hebt leicht ihr Köpfchen und maunzt kurz in ihre Richtung. So in etwa, wie wenn Freunde sich von weiten erkennen und sich nur kurz zunicken. So ein kleines vertrautes „Wie geht’s!“ halt, so ein „Na, alles klar!“ eben.

Einen Moment hält sie inne und spricht ihre Katze mit leiser, sanfter Stimme an und wird sofort mit einem weiteren Maunzen belohnt.

Schere und Gießkanne legt sie gedankenverloren erst einmal ab und geht vorsichtig in Richtung Sofa. Sie setzt sich bedächtig neben ihre Katze, welche erwartungsvoll ihren Kopf noch etwas höher hebt.

Die Bewegungen der Beiden sind fast schon zeitlupenartig, als wüssten sie vom jeweils anderen, dass laute Geräusche und schnelle Bewegungen auch Gefahr bedeuten können. Die Beiden kennen sich und sind es gewohnt, vorsichtig miteinander umzugehen.

Sie legt sich neben ihre Katze, ihren Kopf gerade so weit vom Bauch der Katze entfernt, dass deren Haare nicht in der Nase kitzeln. Langsam schiebt sie ihre Hand unter den Kopf der Katze und sofort legt diese ihren Kopf in die Mulde der Handfläche hinein, als wenn sie wüsste, dass diese Mulde nur für sie bestimmt ist, als wenn sie nur darauf gewartet hätte.

Noch etwas unruhig klopft das Schwänzchen der Katze leicht auf den freien Arm, den sie um den Körper ihrer Katze gelegt hat. Aber das Klopfen wird ruhiger und von Atemzug zu Atemzug wird daraus mehr und mehr ein sanftes Streicheln. Es ist wie ein vorsichtiges, tröstendes Schulterklopfen voller Vertrauen, wie ein Signal, dass es so wie es ist, gut ist.
Der Daumen ihrer Hand unter dem Köpfchen streicht sanft über das Kinn der Katze, ein Rollen in der Kehle, kaum zu hören, ist die Antwort darauf. Die Katze belohnt sie, wie immer in solchen Momenten, in dem sie mit ihrer rauen Zunge anfängt, ihren Daumen abzuputzen. Das kitzelt.

Sie schließt die Augen, genießt diese Vertrautheit und sie wartet.

Beide sind vollkommen entspannt, genießen diesen Moment. Die Katze macht leise Schmatzgeräusche. Diese Geräusche erinnern irgendwie an ein Baby, welches vor dem Tiefschlaf noch ab und zu an seinem Schnuller saugt, bis dieser dann kurz bevor der letzte Kiefermuskel sich auch noch entspannt hat, aus dem Mund plumpst.

Und dann kommt das, worauf sie gewartet hat. Ihre Katze, sie atmet tief und langsam ein und noch langsamer, völlig tiefenentspannt, atmet sie wieder aus. Einmal nur, aber es ist im ganzen Körper der Katze zu spüren und es ist auch zu hören. Es ist mit nichts zu vergleichen, mit Worten nicht zu beschreiben.

Vielleicht ähnelt dieses kurze entspannte Ein- und Ausatmen ein wenig dem Wort Frieden oder dem Wort Stille.

Für sie jedenfalls ist es Vollkommen, sie übernimmt diesen Atemrhythmus, sie nimmt die Ruhe ihrer Katze in sich auf. Keine Gedanken mehr, die ständig kreisend das Gehirn martern. Sie fühlt sich geliebt und sie fühlt, dass sie etwas bewirkt mit ihrer Liebe.

Und Beide schlafen ein, als wenn es kein Morgen gibt. Ängste, Pflichten, Sorgen … alles verschwunden. Eine Leere, die sich warm und weich anfühlt. Eine Stille, die den ganzen Raum um sie herum einnimmt.


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wieder mal ein Bierdeckel ...